Die evangelische Kirche in Ober-Saulheim

Inhaltsverzeichnis:

Die Anfänge

Das erste nachweisliche Patronatsrecht stammt aus der Zeit um 1100 und gehörte den Grafen von Rieneck. Dies zeugt von einem höheren Alter der Kirche als die erste urkundliche Nennung von 1284.

Diese Kirche von 1284 war wohl Sanktus Fitus (Sankt Veit) gewidmet, wie auch die Mühle im Besitz des Kirchenpatronats als Sankt Veits Mühle bekannt war.

Sollte die erste urkundliche Bezeugung der Kirche von 1284 auch mit dem Jahr der Errichtung gleichzusetzen sein, so würde dies bedeuten, dass an dieser Stelle zuvor eine andere ältere Kirche gestanden hätte. Die mittelalterliche Kirche von 1284 muss nach historischer Überlieferung im gotischen Baustil errichtet worden sein. Wichtige Merkmale dafür sind Spitzbögen Rippengewölbe und Strebepfeiler.

Laut Überlieferung gab es in dieser Kirche platzversperrende Strebepfeiler im gotischen Stil, die das Deckengewölbe trugen. Man findet einige Pfeiler und den gotischen Spitzbogen des schönen Pförtchens zur Untergasse, der wohl als Türbogen der Eingangspforte der mittelalterlichen Kirche betrachtet werden kann. Diese Funde deuten auf eine im gotischen Baustil errichtete Kirche hin.

Die alte mittelalterliche Kirche war zugleich eine Wehrkirche, die bei Gefahr vor feindlichen Übergriffen Schutz bot.

Der Neubau

Herr Pfarrer Johann Daniel Köster, der von 1730 bis 1782 Amtsinhaber der Pfarrstelle Ober-Saulheim war, führte einen regen Briefwechsel mit den Rhein- und Wildgrafen in Gau-Greweiler. Diese hatten seit 1755 nach dem Ableben des letzten Erben der Ritter Hundt von Saulheim das Zehnt- und Patronatsrecht erworben und somit die Verantwortung für die Kirche. In den Schreiben ging es um den desolaten Zustand der Kirche und natürlich um Geld für die nötigen Reparaturarbeiten, die allerdings mit dem Hinweis, dass Ober-Saulheim eine finanziell gut gestellte Kirchengemeinde sei, abgelehnt wurde.

Da offensichtlich der Eingang der alten Kirche seitlich lag und man 1766 einen Turm an die Längsseite der Kirche gestellt hatte, und den Eingang nun zur Längsseite verlegen wollte, konnte man nur mit einem Durchbruch durch den Turm die neue Kirche betreten. Dies geht aus den Unterlagen eines Rechtsstreites vor dem Großherzoglichen Kreisamt in Oppenheim vom Jahre 1857 zwischen dem evangelischem Kirchenvorstand in Ober-Saulheim und dem katholischem Kirchenvorstand in Nieder-Saulheim hervor. Bei diesem Streit wurde der Kirchenvorstand von Ober-Saulheim beschuldigt, dass durch den Durchbruch vom Kirchturm zur Kirche der Turm instabil und damit baufällig geworden wäre. Die mittelalterliche wie auch die heutige Kirche standen inmitten eines Kirchhofes, in dem bis zum Jahre 1855 die Toten bestattet wurden. Tod und Leben waren unmittelbar über Jahrhunderte nebeneinander. Die Gläubigen konnten so nach dem Gottesdienst auf kürzestem Wege ihre toten Angehörigen besuchen.

Im Jahre 1786 muss das Kirchenschiff schon sehr baufällig gewesen sein. Auch die innen befindlichen, platzversperrenden Pfeiler, auf denen das Gewölbe ruhte, wurden als unbequem und lästig empfunden. Man wollte eine geräumige und größere Kirche, zumal auch die Gemeinde inzwischen gewachsen war.

In der Folgezeit war der Verfall derart fortgeschritten, dass die alte Kirche im Jahre 1808 abgerissen und abgetragen wurde. An der gleichen Stelle wurde im Jahre 1808/09 der schlichte Saalbau der heutigen Kirche erstellt.

Am Kirchenschiff wurde dann über viele Jahre nichts mehr Aufwendiges getan. Erst 1962/63 gibt es Belege für große Restaurierungs- und Umbauarbeiten. Als größte bauliche Maßnahme wurde der Chor mit dem Altarraum angebaut. Ein neuer Altar sowie Taufbecken entstanden. Die Kanzel, die Orgel sowie sonstige Teile der Kirche wurden saniert. Die Fenster wurden neu verglast, eine neue Eingangstür aus Eichenholz und ebenso eine neue Treppe zur Empore wurden eingebaut.

Durch den gewonnen Raum mit dem Anbau konnten zusätzliche Bänke gestellt werden. Der Haupteingang durch den Kirchenraum wurde mit Flonheimer Sandstein neu belegt und eine neue Warmluftheizung wurde installiert.

Der Turm

Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, stammt die erste urkundliche Erwähnung der Ober-Saulheimer Kirche aus dem Jahre 1284. Den Unterlagen zufolge wurde der Turm der mittelalterlichen Kirche im Jahre 1766 wegen Baufälligkeit abgetragen und durch einen neuen Turm ersetzt.

Beim Neubau der Kirche blieb dieser Turm stehen, der jedoch nach dem Bau des Kirchenschiffes 1808/09 starke Risse aufwies. Diese waren zurückzuführen auf die schwache Fundamentierung des Turmes und den Türdurchbruch zum Eingang in die neuerbaute Kirche. Wie reger Briefwechsel beweist, wurde versucht eine Lösung für das Problem zu finden und eventuell einen neuen Turm zu bauen, doch dafür gab es keine Genehmigung.

Im Jahre 1830 war dann der Kirchturm so baufällig geworden, dass er abgerissen werden musste. Auf den noch vorhandenen Fundamenten wurde ein primitives Holzgestell erstellt, damit man die Glocken aufhängen konnte. Dieser Zustand sollte bis zum Jahre 1900 Bestand haben.

Seit dem 8. Oktober 1895 wurde Herr Pfarrer Hamm Pfarrer in Ober-Saulheim. Ihm ist es zu verdanken, dass man der Errichtung eines neuen Kirchturms immer näher kam. Zur Verwirklichung des Bauvorhabens kam es mit dem Gemeinderatsbeschluss am 15. November 1900 unter Bürgermeister Johann Georg Weber. Der Gemeinderatsbeschluss lautete:

„Der Gemeinderat beschließt unter heutigem, dass anstatt der Errichtung eines Dachreiters auf hiesige Kirche ein Turm gebaut werde. Der Kostenaufwand hierfür darf sich nach Aussage des Herrn Kreisbauinspektors Kessel in Oppenheim höchstens auf 10.000.- Mark belaufen.“

Nach ergangener Aufforderung zu freiwilligen Gaben für den Kirchturmbau wurden sehr hohe Leistungen von der Ober-Saulheimer Bevölkerung erbracht.

Die Bevölkerung in Ober-Saulheim war noch ausschließlich bäuerlich geprägt, so wurden die gesamten Flonheimer Sandsteine und sonstigen Baumaterialien, die mit Waggons an den Nieder-Saulheimer Bahnhof geliefert wurden, von den Bauern mit ihren Fuhrwerken übernommen und nach Ober-Saulheim zur Baustelle gebracht.

Die Geldspenden gemessen an dem damaligen geringen Einkommen, waren trotzdem mit über 1000 Goldmark beachtlich. Auch wurden zwei Waggons Steine gespendet.

Die Planung des Turms lag in den Händen von Herrn Kreisbauinspektor Kessel in Oppenheim.

Am 12. Mai 1901 erfolgte die Grundsteinlegung unter der Beteiligung der gesamten Ober-Saulheimer Bevölkerung.

Ohne jeglichen Unfall gingen die Arbeiten am Bau zügig voran und waren im November fast vollendet.

Der Chronist schreibt: „Am 28. Oktober 1901 wurden Knopf, Kreuz und Wetterhahn auf dem Turm angebracht und erreichte somit eine Höhe von 40 Meter. Insgesamt ragt der Turm nun aus dem schmucken Dörflein hervor, eine Zierde des Dorfes und ein Dokument lebenswerten Gemeinsinnes."

Die Glocken

Kirchenvorstand 2015
1911

Die ersten Glocken in der Kirche gab es schon seit der Gründung der Kirche um 1200. Als man die erste gotische Kirche wegen Baufälligkeit abriss, baute man einen provisorischen Holzturm um darin die Glocken aufhängen zu können.

1911 spendete Wilhelm Lehrbach aus Darmstadt, gebürtig im Gartenfeld in Saulheim, aus Anlass seines 25-jährigen Geschäftsjubiläums für die Kirche drei Glocken. Geschmückt wurden sie auf Erntewagen in den Schulhof vor der Kirche gebracht, um dann ihren Platz im Turm zu beziehen.

 
Kirchenvorstand 2015
1948

Im April 1942 mussten die Glocken im Gesamtgewicht von 474 kg für Kriegszwecke abgegeben werden, nur eine kleine Glocke verblieb im Turm, die inzwischen auch defekt war. Unter diesen Verhältnissen sah sich der Kirchenvorstand unter Vorsitz von Pfarrer Brodowski veranlasst, sich um die Anschaffung eines neuen Geläutes zu bemühen. Da in der Zeit der Planung dieses Projektes für die wertlose Reichsmark nichts mehr zu bekommen war, bestand jedoch die Möglichkeit gegen den Tausch von Wein die Glocken zu bekommen. Von Seiten des Kirchenvorstandes wurde daraufhin eine Weinsammelaktion durchgeführt. Dabei wurde soviel Wein gespendet, dass drei neue Glocken angeschafft werden konnten. Das einzige Problem bei dieser Sache war, dass die Glockengießerei Rinke im hessischen Sinn, also der amerikanischen Zone lag. Durch Manipulationen beim Wechsel von einer Zone in die andere Zone wurde es möglich, den Wein hinüber und die Glocken herüber zu bringen. Das Tauschgeschäft war von Erfolg gekrönt.

1948 war es dann so weit. Drei neue Glocken fanden ihren Weg nach Ober-Saulheim. Auch dieses mal wurden sie wieder auf geschmückten Wagen vom Bahnhof Nieder-Saulheim abgeholt (auf dem Bild sind drei heutige Kirchenvorstandsmitglieder zu sehen).